Ein Wochenende im Ashram. So lief mein erstes Ausbildungswochenende in „Europas größtem Yoga-Seminarhaus“ ab:
Freitagmorgen: Meine Mitschülerin M. holt mich ab und wir sind beide mega aufgeregt. Der Rucksack landet im Auto und wir machen uns auf den Weg zwei weitere Schüler einzusammeln. Die Fahrt ist entspannt, wir kommen gut durch und unterhalten uns angeregt. Zwischendrin mache ich Brotzeit und nehme zwei Schmerztabletten ein. Ich habe Kopfschmerzen. Trotzdem versuche ich entspannt zu bleiben. Kurz vor Ankunft noch eine kleine Navigationspanne, wir drehen eine Ehrenrunde… aber wir sind ja nicht in Eile 🙂
Freitagmittag: Ankunft. Oh mein Gott, das ist alles noch viel größer als ich dachte! Von der Rezeption im Haupthaus werden wir erstmal in ein anderes Gebäude zur nächsten Rezeption geschickt. Auf dem Weg dorthin fühle ich mich völlig erschlagen von all den Eindrücken und den vielen Menschen, die wie Ameisen durch die Gänge wuseln. Auch Kinder toben umher. An Rezeption Nummer 2 trennen sich erstmal die Wege. Die anderen drei haben Mehrbettzimmer, ich den Schlafsaal gebucht. Ich lasse mir den Weg gleich zweimal erklären weil ich doch irgendwie ein bisschen überrollt bin. Anschließend ein paar Mal durchatmen und dann loslaufen. Mein Zimmer finde ich tatsächlich auf Anhieb. Yeah! Ein Erfolg. Ich trete ein und bin positiv überrascht. Unter einem „Schlafsaal“ hatte ich mir was anderes vorgestellt. Hier stehen nun sechs Stockbetten, ein Tisch, ein paar Stühle. Gemütlich ist es. Große Fenster, durch die viel Licht reinkommt. Ein paar Betten sind schon belegt. Ich suche mir das noch einzig freie Bett direkt am Fenster aus und denke an mein Kind das, genauso wie ich jetzt, auf der oberen Etage des Stockbettes schlafen wird. Ich fühle mich ein bisschen wie in einem Schullandheim. Nur das hier alle permanent in Schlafanzügen rumlaufen 😉
Freitagnachmittag: Nun aber zügig. Ich richte mich sporadisch ein und mach mich wieder auf den Weg zu Rezeption Nr 1. Eine Führung steht auf dem Plan. Die macht Sinn, wie ich gleich bei der Ankunft bemerkt hab. Hinterher bin ich zumindest ein bisschen schlauer. Irgendwie ist’s trotzdem noch wie Irrgarten. Die erste Yogastunde steht an. Ich entscheide mich für eine sanfte „Ankommensstunde“. Meine Kopfschmerzen sind leider immer noch recht präsent.
Freitagabend: Abendessen im großen Speisesaal. Ich treffe andere Mitschüler und auch unseren direkten Ausbildungsleiter. Wir quatschen alle gemeinsam eine Runde. Der Geräuschpegel ist sehr hoch und ich beschließe schon jetzt die nächste Mahlzeit im Schweige-Speisesaal einzunehmen. Dennoch ist die Stimmung toll und das Essen lecker. Nach dem Abendessen treffen wir uns zum Satsang , der um 22 Uhr endet (für Außenstehende: Ein Satsang ist in meinen Augen am ehesten mit einem Gottesdienst zu vergleichen. Es wird meditiert, gesungen, über spirituelle Themen gesprochen und gebetet. Zum Ende hin folgt eine Lichtzeremonie mit einer rituellen Opferspeise). Anschließend folgen noch ein paar organisatorische Dinge für uns angehende Yogalehrer und die „Karma Yoga Jobs“ werden verteilt. Ich melde mich für den Job als „Türengel“ und verpflichte mich für das Wochenende die Anwesenheit meiner Mitschüler bei den Pflichtterminen zu kontrollieren. Hauptsächlich damit ich endlich alle Namen ins Gedächtnis bekomme 😉 Danach bin ich völlig platt, mache mich zügig bettfein und schreibe, in den Schlafsack eingemummelt, Tagebuch. Ab 22:45 wird auf dem ganzen Gelände geschwiegen. Ich bin dankbar für diese Regelung und schlafe blitzschnell ein.
Samstagmorgen: Ich habe tatsächlich komplett durchgeschlafen. Nun werde ich langsam wach durch die Damen, die schon um 6 Uhr zum freiwilligem Pranayama gehen. Gestört fühle ich mich dadurch aber nicht. Jede von ihnen ist achtsam und gibt sich Mühe leise zu sein. Etwas später mache ich mich auf den Weg in den Waschraum, der auf dem Flur liegt. Man lächelt oder nickt sich zu denn es ist immer noch „Schweige-Zeit“. Ich genieße diese Stille. Nach Waschen und Anziehen hole ich mir eine Tasse heißen Tee und fülle meine Glasflasche am Wasserbrunnen auf. Hier gibt’s Osmose Wasser, verwirbeltes Wasser, Gie Wasser… alles was das Herz begehrt. Mit meiner Tasse gehe ich hinaus. Draußen auf einer Bank sitzt eine Frau, die Ukulele spielt. Sie hat die Augen geschlossen, ist völlig vertieft und bemerkt mich gar nicht. Ein bisschen abgedreht ist das hier ja schon irgendwie. Frühstück gibt es hier offiziell nicht. Ich stelle fest, dass es mir auch gar nicht fehlt. Mit leerem Magen geht es in die Meditation, gefolgt von Mantrasingen und Vortrag. Erst danach wird wieder miteinander gesprochen und ich tausche mich kurz mit meinen Mitschülern aus. Um 9 Uhr geht es zur Yogastunde. Ich entscheide mich für die „Mittelstufe“ und bekomme einige neue Herangehensweisen und Ansichten gelehrt.
Samstagmittag: Um 11 geht es zum Mittagessen. Ich habe mächtig Kohldampf. Mit Teller und Salatschüssel wackel ich, wie geplant, in den Schweige-Speisesaal. Es ist herrlich. Nicht nur weil es viel leiser ist sondern auch weil ich mich voll und ganz auf das Essen konzentrieren kann und nicht durch Gespräche abgelenkt bin. Nach dem Essen gibt es eine kleine Verschnaufpause. Ich ruhe mich ein bisschen im Bett aus und telefoniere anschließend nach Hause um zu erfahren ob alles ok ist. Mein Mann hört mich schwärmen und freut sich für mich mit. Ich bin dankbar, dass ich hier sein kann. Im Hauptgebäude vor dem Cafe ist ein Tisch mit selbstgebackenen, veganen Kuchen aufgebaut. Gegen Spende (für ein Trampolin, das für den Kinderspielplatz angeschafft werden soll) gönne ich mir ein Stück Karottenkuchen.
Samstagnachmittag: Um 16:30 folgt die nächste Yogastunde. Meine Mitschülerin M., die bereits am Morgen die „fordernde Mittelstufe“ besucht hat, motiviert mich. Ich gehe mit und bin absolut begeistert. Zwar bemerke ich hier und da ausbaufähige Fitness aber die Worte des Lehrers treffen direkt in mein Herz. Wunderschön.
Samstagabend: Abendessen um 18 Uhr. Ich bin erneut hungrig wie ein Löwe, schaufel zwei Teller voll und suche mir einen Platz im Schweige-Speisesaal. Es ist viel los. Einen Tischplatz bekomme ich nicht aber zumindest finde ich einen freien Stuhl und genieße das Essen. Von 20 bis 22 Uhr findet wieder ein Satsang statt. Der Leiter ist mir sympathisch, die Stimmung ist gut. Es wird laut gesungen und geklatscht. Auch unser Ausbildungsleiter stimmt ein Mantra an. Danach geht es für mich wieder zügig ins Bett. Ich stelle fest, dass mir zwei Mahlzeiten tatsächlich reichen und ich kein bisschen hungrig bin. Vielleicht liegt es aber auch am straffen Programm, dass ich nicht ans Essen denke. Oder es liegt am Karottenkuchen 😉
Sonntagmorgen: Die Meditation am Morgen ist traumhaft. Ich verliebe mich in das Jaya Ganesha, das wir singen, halte die Augen und auch das Kirtanbuch (hier stehen alle Liedtexte drin) geschlossen. Statt mich an den Text zu klammern genieße ich die Stimmung. Anschließend folgt ein Vortrag. Der Lehrer ist sympathisch, mir fehlt aber ein bisschen der rote Faden. Er kommt von einem Thema ins nächste… ins nächste… ins nächste. Ich stelle fest, dass ich müde bin und dass es mir schwer fällt ihm zu folgen. Die Yogastunde im Anschluss tut mir gut. Es hat sich offensichtlich rumgesprochen wie viel Freude es genau hier macht denn der Raum ist prall gefüllt. Berührungsängste darf man hier gerne ablegen lernen. In der Tiefentspannung nicke ich einige Male weg. Scheinbar bin ich langsam ein bisschen erschöpft.
Sonntagmittag: Mittagessen um 11 erneut im Schweige-Speisesaal. Eine Mitschülerin aus unserem Center tut es mir gleich und hat für sich ebenfalls die Vorteile des stillen Essens entdeckt. Anschließend räume ich mein Bett und packe meine Tasche. Ich bin mit M. am Auto verabredet um alles einzuladen bevor wir um 12:30 in den letzten Vortrag gehen. Um 14:30 ist das Wochenende offiziell vorüber. Wir machen uns auf den Weg nach Hause, etwas schweigsamer als auf der Hinfahrt. Ich bin müde. Wir halten einmal an einer Tankstelle und M. kauft sich „nach dem Ganzen erstmal ein weltliches Getränk“. Ich muss lachen 😀