Sind Yoga und Instagram eigentlich kompatibel?

Ich fühle mich unschlüssig. Seit Wochen. Wegen dieses einen Themas. Wie yogisch ist eigentlich instagramen und bloggen? Ist es vielleicht ein Widerspruch in sich? Warum fällt es mir inzwischen so schwer einen Blogbeitrag zu verfassen?

Ohje mein armer Blog. Er sieht mich immer mal wieder schräg von der Seite an und fragt, warum ich ihn so verstauben lasse und vernachlässige. Ich zucke entschuldigend mit den Schultern. Weiß ich ja selbst nicht so genau.

Wie sehr erfreute ich mich am Schreiben. Es ist für mich schon lange ein „Ventil“. Das Bloggen machte mir große Freude und während der Entstehung eines Beitrags ergaben sich oftmals „Lösungen“ oder eine andere Sichtweise poppte in mir auf.

Das Schreiben ist mein „Ventil“.

Für die „intimeren“ Dinge habe ich mein Tagebuch, mein Journal, dem ich mich jeden Abend vor dem Schlafen widme. Was ich nach wie vor mache. Besonders mein Zusammenfassen und „Fazitziehen“ am Ende des Monats ist immer wieder spannend und lehrreich.

Seit etwa Anfang des Jahres setzt mein Blog Spinnweben an. Ich glaube, dass meine Yogalehrerausbildung daran „Schuld“ ist. Nicht zeittechnisch sondern eher inhaltlich. Immer mal wieder setze ich zum Schreiben an und verschachtel mich dann in meinen eigenen Gedanken. „Aus weltlicher Sicht ist das so – vom Yogastandpunkt aus ist das so – aus vedantischer Sicht so … “ rattert es dann in meinem Kopf und ich gerate in eine Sackgasse und Blockade. Es fühlt sich krampfig und gar nicht mehr leicht an.

Ja, diese Ausbildung hat es in sich. Sie steckte mich in eine große Waschmaschine, schaltete das 90° Programm ein und wusch mich ordentlich durch. Mal schleuderte sie mehr, mal weniger. Und aktuell schleudert sie mal wieder ganz gewaltig…

… und mischt Zweifel statt Weichspüler unter.

Nicht nur in Bezug auf meinen Blog bin ich ein wenig ratlos und zweifelnd sondern auch wenn ich über Instagram nachdenke. Ich frage mich ob Yoga und Instagram überhaupt kompatibel sind. Ist es nicht vielleicht doch ein Widerspruch in sich?

Die meisten Fotos, die mit den Hashtag #yoga versehen sind, zeigen gar kein Yoga so wie ich es verstehe und gelehrt bekomme sondern vielmehr superschicke, inszenierte Asanas. Geturnt von Schlangenfrauen. Am Strand. Im sündhaft teurem Bikini. Kann man schon so machen, muss man aber nicht. „Eine ganz spezielle Sorte Yogis“, tut sich eine Schublade in meinem Kopf auf. Gehöre ich da womöglich doch irgendwie dazu? (Bitte beachte, dass ich mit diesem Beitrag niemanden angreifen möchte. Yoga scheint gerade in Deutschland ein sehr dehnbarer Begriff zu sein und „mein“ Yoga passt oftmals nicht zum „Instagram Yoga“)

Wie yogisch sind eigentlich meine Beiträge auf Instagram?

Im Vergleich zu meiner Website war ich auf Instagram in letzter Zeit recht aktiv. Weil es mir Spaß machte. Weil ich meine Freude über gewisse Dinge gerne teilen wollte. Aber sind meine Beiträge, yogisch gedacht, wirklich ok? Was macht denn eigentlich so einen „yogischen“ Beitrag aus? Vielleicht komme ich der Sache näher wenn ich mir die Yamas und Niyamas nochmal genauer ansehe.

In den Sutras von Patanjali, eine wichtige Yogaschrift, werden Prinzipien und Werte vermittelt, welche die Grundlagen für soziales Verhalten legen. Das klingt doch so, als könnten sie auch in den „sozialen Netzwerken“ nützlich sein.

Sie nennen sich Yamas – Regeln für den Umgang mit der Umwelt.

  1. Ahimsa ist eines der wichtigsten Prinzipien im Yoga. Es bedeutet, ein Leben zu führen, ohne anderen Lebewesen Gewalt anzutun. Wie behandle ich andere? Wie behandle ich mich selbst? Wie denke ich und was sage ich? Sind meine Gedanken und Worte gewalt- oder liebevoll?
  2. Satya bedeutet aufrichtig und ehrlich zu leben. An das eigene Wort halten und nicht lügen. Manchmal kann auch ein Konflikt zwischen dem Wunsch die Wahrheit zu sagen und dem Wunsch nicht zu verletzen (Ahmisa) entstehen. Die Wahrheit auf konstruktive Art und Weise mitzuteilen erfordert Feingefühl. Manchmal ist es auch klug zu schweigen und sich für Gewaltlosigkeit zu entscheiden.
  3. Asteya meint „nichts unrechtmäßig von anderen zu nehmen“ also nicht stehlen. Aber auch das geistige Eigentum anderer zu respektieren und es nicht als das Eigene auszugeben. Der Begriff ist aber noch weitaus umfassender. Wenn Du zum Beispiel feststellst, dass nur noch ein einziger kleiner Apfel im Haus ist, könntest Du den Rest der Familie fragen ob ihn jemand essen möchte, statt ihn einfach zu nehmen.
  4. Die beste Übersetzung von Brahmacharya ist vielleicht „Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten“. Je nach Lebensumstand oder Kultur kann es etwas anderes bedeuten. Für den einen vielleicht die vollständige Enthaltsamkeit, für den anderen vielleicht die Treue in der Partnerschaft. Letztlich kann man unter Brahmacharya verstehen, sich nicht von Sinnesfreuden ablenken zu lassen.
  5. Aparigraha. Parigraha ist die Gier, Sinnesobjekte zu besitzen und sich daran zu erfreuen. Aparigraha ist also das Gegenteil, die Abwesenheit des Verlangens zu Besitzen. Wir sollten darauf achten, nur so viel zu haben, wie wir es zum Leben tatsächlich brauchen. Aparigraha bedeutet aber auch, keine „Geschenke“ anzunehmen, die uns manipulieren wollen und/oder zu einer Gegenleistung verpflichten.

Als Gegenstück zu den Yamas geben die Niyamas Richtlinien, wie wir mit uns selbst umgehen können:

  1. Saucha bedeutet innere und äußere Reinheit. Neben Hygiene ist damit auch gesunde Ernährung, harmonische Musik, Atemübungen, Asanas gemeint.
  2. Santosha meint Zufriedenheit. Zu-FRIEDEN-heit. Frieden mit sich, mit den Mitmenschen und der Welt. Es bedeutet auch, Dinge anzunehmen und darauf zu vertrauen, dass alles was passiert, richtig für uns ist.
  3. Tapas lässt sich als Disziplin oder auch Askese übersetzen. Das bewusste Verzichten oder auch das konsequente Einhalten von Dingen, die wir uns vorgenommen haben, lässt uns erfahren, was im Leben wirklich wichtig ist und führt zu mehr Stärke in Körper und Geist.
  4. Swadhyaya bedeutet das Studieren der eigenen Persönlichkeit, damit wir mehr nach innen zu unserer wahren Natur finden. Außerdem ist damit auch das Studium von spirituellen Schriften gemeint.
  5. Ishvarapranidhana- Verehrung des Göttlichen. Patanjali hat diesen Punkt bewusst allgemein gehalten. Es spielt keine Rolle, welche Form die Gottesvorstellung annimmt. Das darf jeder für sich selbst wählen.

Puuuh… so viel zum theoretischem Teil. Nun zur Praxis und zurück zu meinen Instagrambeiträgen. Lassen sich diese Prinzpien, Richtlinien, Werte auf meine Beiträge übertragen?

So die Theorie!

  1. Ich teile keine gemeinen oder boshaften Dinge (Ahimsa) und keine Unwahrheiten (Satya)
  2. Die Fotos, die ich teile, habe ich selbst gemacht. Das was ich schreibe ist nicht kopiert sondern selbstverfasst. Zitate sind auch als Zitate erkennbar (Asteya)
  3. Brahmacharya? Oh weh.. meine Muffin- und Kuchenfotos könnte man vielleicht schon als Ablenkung durch Sinnesfreuden zählen.
  4. … allerdings teile ich meine „sinnlichen“ Muffins großzügig und möchte sie nicht alleine für mich besitzen (Aparigraha). Was ich ebenfalls nicht besitzen will sind Herzchen, Reaktionen, Lob, Anerkennung, Bestätigung auf meine Beiträge. Tatsächlich spielt es für mich keine Rolle ob ich 0 oder 10 „Likes“ bekomme.
  5. Auch Saucha steht auf wackeligen Beinen, denn meine Muffins sind halt nun mal keine gesunden Karotten. Allerdings hab ich vor ein paar Tagen auch ein Foto vom selbstgebackenem Vollkornbrot geteilt. Mit Karotten drin 😉
  6. Santosha, die Zufriedenheit…. nein, Unzufriedenheit findest Du in der Regel in meinen Beiträgen nicht. Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe und was ich bin. Deswegen stelle ich mich durch meine Beiträge auch nicht über andere Menschen. Ich bemühe mich stets niemanden zu tadeln, zu belehren oder ihnen das Gefühl zu geben, etwas Besseres zu sein.
  7. Tapas, das bewusste Verzichten oder auch das konsequente Einhalten von Dingen. Hmm.. darüber musste ich nun etwas länger nachdenken. Ich bin mir bei diesem Punkt recht unschlüssig. Vielleicht lässt sich Tapas auf meine regelmäßige Yogapraxis übertragen, die ich in meinen Beiträgen und Storys zeige?!
  8. Ebenso wie Swadhyaya, das Studieren der eigenen Persönlichkeit und auch das Studium von spirituellen Schriften.
  9. Ishvarapranidhana- Verehrung des Göttlichen findet für mich vor allem im Erstellen des Beitrags an sich statt. Erfreue ich mich zum Beispiel an meinen Muffins, womit ich wieder bei diesem Thema bin, halte ich kurz inne und bin dankbar.

Soweit so gut. Meine Instagrambeiträge kommen doch gar nicht soo schlecht weg. Nun ist da aber noch eine andere Schrift, die in einem ihrer Verses sagt:

Die Wissenschaft des Hatha-Yoga ist streng geheim zu halten von dem Yogi, der nach Erleuchtung strebt. | Sie ist kraftvoll im Verborgenen, bedeutungslos, [wenn sie] zur Schau gestellt [wird].

Hatha Yoga Pradipika, 1.11

Dieser Vers wurde mir in den letzten Tagen auf verschiedene Arten näher gebracht. Zur Zeit als diese Schrift entstand, musste Hatha-Yoga tatsächlich im Geheimen praktiziert werden. Heute, in unserer Zeit, ist es glücklicherweise nicht mehr so aber durch Dinge wie Instagram wird Yoga eben schon häufig „zur Schau gestellt“ und in der ein oder anderen Situation wäre es vielleicht geschickter weniger oder nichts (darüber) zu erzählen damit wertvolles Wissen nicht „inhaltslos“ oder zerredet wird.

Vielleicht bin ich innerhalb meiner Ausbildung aber auch an einen Punkt gekommen, was nicht das erste Mal wäre, an dem ich ein kleines bisschen zu verbissen bin und zu viel grüble. Unbedingt alles richtig machen möchte.

Vielleicht bin ich etwas verbissen.

Vielleicht sollte ich die Energie, die ich bei all diesen Überlegungen aufwende, eher in eine Meditation über Gleichmut stecken. Locker machen, mich selbst nicht so ernst nehmen, wieder etwas mehr Eigenhumor zulassen.

Andrerseits wäre aber auch dieser Blogbeitrag nicht entstanden… und prompt verschachtel ich mich wieder 😉

„Wenn Du Deine Gitarrensaite durchhängen lässt, klingt sie nicht. Spannst Du sie zu stark, klingt sie aber auch nicht und reißt womöglich“, sagte mein Lehrer mal sinngemäß.

Na dann… ich bin mal meditieren.

Om Shanti

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